Mark hat dankenswerterweise meine Meinung als Grundlage einer etwas größeren Betrachtung herangezogen. Da Kommentare auf seinem Blog nicht ohne Anmeldung möglich sind (*hint), antworte ich einfach hier in meinem blog.
Marks Artikel:
Die Piraten und die Medien – Versuch einer Bestandsaufnahme
http://hariolor.blogger.de/stories/2326999/
Zitat daraus:
Ab und an höre ich daher aus den Reihen meiner PIRATEN harsche Kritik an der Presse, die uns „verschweige“, zumindest nicht angemessen darstelle. Das mag einerseits daran liegen, dass die PIRATEN sich gerne wichtiger fühlen, als sie es – objektiv betrachtet – sind. Zum anderen fordern PIRATEN aber eine neutrale, objektive Berichterstattung als Ziel der Medien.
Das ist natürlich nicht so. Journalismus ist nicht per se „fair“. Das anzunehmen (Presse als neutral-objektive „vierte Macht“ im Staate) ist eine Idealvorstellung, die meiner Meinung nach in der journalistischen Praxis nur sehr selten zutrifft.
Rob hat das auf der sächsichen Mailingliste so formuliert:
„Medien sind nicht dazu da, irgend eine Piratenpartei zu pushen oder einem Startup beim Aufschwung zu helfen! Es sind Unternehmen, deren Arbeit darin besteht, dass interessierte Kunden ihre Produkte kaufen. Und wenn Du so ein Unternehmen zu führen hast, dann musst Du bei diesen Kunden ein Interesse wecken Deine Produkte zu kaufen.“[..]
Mark kommt dann über die Gründung der TAZ, welche dem vormals ignorierten linken Lager Ender 70er eine Platform zu bieten geboren wurde, zu dem Schluss, dass die Piraten nun ebenso ein eigenes Sprachrohr benötigen könnten. Auch, da alle anderen Medien uns nur unter dem Joch der Selbstvermarktung, zum Zwecke der Absatzsteigerung des Mediums, in die Welt hinaustragen würden.
„Wie wäre es, wenn wir eine Internet-Zeitung gründeten, die bundesweit auch als Printausgabe verfügbar ist? Neue Zahlmodelle live ausprobieren? Mal beweisen, was wir – auch an der Front – können?
Ich wär dabei.“
Nun, das währe ich vermutlich auch. Ich mache ja gerne jeden Spass mit. Aber ganz ehrlich, das ist keine Lösung! Darum meine Kurzantwort dazu: Nö, brauchen wir nicht.
Hier die etwas längere Antwort:
Wir haben als PIRATEN schon etliche Printprodukte heraus gebracht, diese werden aber hauptsächlich intern gelesen. Was auch klar ist, warum sollte ich auch ein Medium einer Partei lesen (Ab gesehen davon, wenn ich eh schon Fan bin)? Für alle anderen Abnehmer zählt unabhängigkeit wohl am höchsten.
Die Piratenpartei hat doch schon ein „eigenes“ „Massenmedium“, welches mit etlichen Webseiten am Start ist, jahrzentelang angesehene Fachkompetenz vorweist, mit einem halben Dutzent Printmagazinen arround the globe in den Regalen steht, das permanent in TV und Radio present ist, eine große und lebendige community hat und den PIRATEN dazu auch noch wohlgesonnen ist. Ja, ich spreche vom heise Verlag.
Die PIRATEN sind meines Wissens auch mit mit einer gewissen Basiskompetenz im Bereich Medien angetreten und begegneten ihr mit der 2.0-Keule. (Was die derzeitig auf poppenden häufigen Falschinterpretationen nur um so schlimmer macht) Jeder sollte plötzlich unabhängig und souverrän empfangen und senden können. Der Ruf nach einem eigenen Pushmedium auf Totholz beisst sich da irgendwie. Auch wenn dieses nur der longtail des Onlineproduktes sein soll. Sind an dieser Idee nicht schon etliche andere gescheitert?
Wie Mark schon richtig im blog erkannt, die Piraten sind jetzt schon ihr eigenes Medium! Wir leben 2.0! Wir pushen heute schon in alles hinein was unsere Nullen und Einsen empfangen kann. Warum plötzlich dieser Rückschrittige Technologiebruch? Früher oder später kommt jeder Wähler und auch die Informationen verarbeitenden Medien an unseren Informationen vorbei.
Und schauen wir uns mal die Probleme mit so einem eigenen fiktiven Medium an:
Wer sagt denn, dass eine neue Publikation sofort Reichweite hat? Auch Zeitungsverkäufer unterliegen dem selben Problem wie die Zeitungsmacher. Bild, Spiegel und Focus hängen immer ganz vorn im Laden, aber die Modelleisenbahner-Zeitschrift ganz hinten in der dunklen Ecke mit 2Stück Auflage neben dem Linux-Hack-Heft. Sollte man um neben die Regenbogenpresse gelegt zu werden auch auf werbeträchtige FUD und Nackbilder zurückgreifen? Was würde sich denn dadruch ändern? Einer gesittete Debatte mit möglicherweise konstruktivem Ausgang ist sowas sicherlich nicht förderlich. Auch bei OnlinePlatformen mit Reichweite greift genau wieder die Aufmerksamkeitsproblematik.
Eine eigene Zeitung zu führen ist, zu dem, erstmal sehr sehr viel Arbeit und ein hohes Unternehmerisches Risiko ohne direkte politische Wirkung, und zudem auch noch den Regeln des kommerziellen Marktes unterliegt wie ich oben schon anriss.
Der Punkt Metapolitik. Wollen wir die Euroretterpartei sein, die Veggiday-Partei, die Abwrackprämienpartei, die OpenData-HeilandPartei? Oder wollten wir nicht irgendwann einmal erst mal nur das System analysieren, den Menschen durch uns einen weiteren Kanal öffnen für bidirektionale Informationen in die etablierte Politik hinein und aus dieser heraus? Wollten wir nicht mal das System Schrittweise debuggen, bzw. workarounds patchen?
Doch, was dann tun, wenn keinen eigenen Verlag zu gründen?
Nun, wir sind doch die mit den Daten und wie wir von Google und Facebook gelernt haben sollten, können die mit den Daten ziemlich wichtig und mächtig sein. Und weil Daten unser Spielfeld sind und Algorithmen unser Spiel, sollten wir weiterhin den Fokus darauf legen öffentliche Daten zu sammeln und diese in Maschinell verwertbare Form zu bringen und uns überall einzusetzen das dieser Staat maschinell auf informeller Ebene durchdringbar wird.
Aus den anfallenden Daten lassen sich dann imo sehr einfach eigene Informationskanäle bilden welche zur Verbreitung unserer Botschaften genutzt werden können. Vielleicht gibt’s es mal ein Piraten-Bundetags/Kommunal-google, ein OpenVerwaltungsStreetmap oder ein Privat/DatenschutzFacebook für alle Bürger. Ich glaube unser Stärke sollte immer unser Handeln sein und niemals unsere Worte. Und, wer weiß, vielleicht machen wir auf unsere nächsten Wahlplakate nur noch unsere Erfolge oder Ideen, gepaart mit den errechneten Gesichtern virtueller Durchschnittsmenschen.
Wir können auch viel mehr Energie und Geld in die Beauftragung unabhängiger Institute leiten, welche Forschungen zu unseren Zielen/Leistungen oder allgemein in unserem Sinne anstellen sollen, mit dem Ziel diese in den normalen Medien zu platzieren.
Ein gutes Wort muss ich an der Idee eines eigenen Mediums doch lassen:
Der Punkt aus der Demokratietheorie „Parteien tragen zur politischen Willensbildung der Bevölkerung bei“ wäre damit vermutlich erfüllt.
Für weitere Einschätzung unseres Abschneidens in medialer Betrachtung möchte ich noch den Podcast:
http://wir.muessenreden.de/2013/09/27/wmr-71-wahlkater-mit-miriam-seyffarth/ empfehlen.
Viele Grüße,
Rob
Als Nachtrag füge ich noch einen tollen Podcast von @Maha und @Tikkatchu an:
http://klabautercast.de/2013/10/03/folge-126-wahlanalyse
Die beiden besprechen darin auch die nötige Professionalisierung bei den PIRATEN, welche ihrer Meinung nach mit einem kleinen Team als Partei-Präsentations-Spitze herhalten soll, welche die Projektionsoberfläche für die Wähler darstellen sollen. Also die lange geschmähten Gesichter zu den Themen.
Grade noch als Antwort auf eine Mail von Andreas verfasst, jetzt schon hier als Nachtrag auf dem blog, meine 3 Stufige These für die effektive Verbreitung von Nachrichten aus der Partei in die Medien:
1) Themen inhaltlich erarbeiten.
2) Erarbeitete Inhalte mit Teasern, Kontroversen, Blaulicht und aufgerissenen Augen in möglichst alle Redaktionen verteilen. DPA/Reuters haben da angeblich so ein Ding am laufen.
Um dann..
3) Interessierten Journalisten (und nicht nur den 3 Haus-und-Hof
Schreibern) inhaltsreich, treffend und verbunden mit einer spanenden
Geschichte oder spannenden Person diese Inhalte zu verkaufen. Von
regeläßigen Kaffekränzchen und Zero-Day-Zusagen halte ich persönlich
nicht viel. Sie sollen zu uns kommen, dafür müssen wir ihnen gute Gründe
liefern!
+1 „Ich glaube unser Stärke sollte immer unser Handeln sein und niemals unsere Worte.“
Nur zur Klarstellung: Ich dachte nicht an ein parteiinternes Medium, sondern tatsächlich eher an eine unabhängige Publikation. Und ich stelle mir das auch nicht als Totholz-Zeitung vor. Aber unsere Blogs werden von der breiten Öffentlichkeit ja offenbar nicht gelesen…
Ich sehe das Problem nicht. Die Bürger lesen begeistert unsere 10772 Blogs. Alle. Hintereinander. Außerdem haben sie immer ein Browserfenster offen mit Twitter #piraten. Sogar abends nach der Arbeit. So interessant finden sie das. Außerdem lesen sie jede Pressemitteilung auf den Homepages, denn was gibt es spannenderes als PMs von Politikern zu lesen! Von daher denke ich nicht, dass wir da noch weitere Medien brauchen: Der Bürger folgt uns, lauscht uns, und wählt uns. Das Motto kann nur „weiter so“ lauten, und vielleicht dazu noch dieses komische Datengoogle, das ich nicht ganz verstanden habe. Aber es ist sicher nicht nötig, der Mediendarstellung der PP etwas anderes entgegenzustellen, oder gar eine zentrale mediale Anlaufstelle für Bürger zu bieten. Wie die Piratenpartei und ihre Ziele in den Medien dargestellt wurde, fand ich völlig ok und wahrheitsgemäß.